Ein privater, exklusiver Treffpunkt für Kunstinteressierte, Sammler, Philosophen, Künstlerkollegen und inspirierendes Networken mit Augen-, Ohren- und Gaumenschmaus, so der Leitgedanke. Ganz wie Pablo Picasso mit seinen Pariser Salons. Nun also seit 2018: Schwabinger Boheme mit historischem Background, die Räume selbst stammen von 1890. Auf über 120 Quadratmetern präsentiert hier das Münchner Künstlerpaar Katharina Lehmann und Yasin Sarfraz Kunst auf hohem Niveau. Neben eigenen Bildern werden derzeit rund zwei Dutzend Werke der Galerie Kleindienst aus Leipzig gezeigt: von Benjamin Dittrich und Rosa Loy, die unter anderem in der Pinakothek der Moderne und in internationalen Sammlungen vertreten ist. Darüber hinaus fördern die Salon-Betreiber Newcomer der Kunstszene, arbeiten eng mit Galerien zusammen, die selbst in München keine Ausstellungsräume besitzen. „Diese Klaviatur der Kunst, die wir hier anbieten, gibt es meines Wissens sonst nirgendwo“, erklärt Yasin Sarfraz. Also ein Kunst-Dream-Team à la Gabriele Münter und Wassily Kandinsky? „Genau, das war der Hintergrund, wir haben den Kunstsalon tatsächlich in Anlehnung an die Gründerzeit ins Leben gerufen“, erzählen die beiden unisono. Über 100 Jahre später eben mit zeitgenössischer Kunst.
Als „einzigartig, nicht replizierbar“, bezeichnet Yasin Sarfraz das Salon-Modell. „Das Besondere an unserer Konstellation ist, dass wir beide freischaffende Künstler sind, jeder schafft separat seine eigene Kunst, und wir sind gleichzeitig in der Lage, unsere Werke in partnerschaftlichen Ausstellungen zu kombinieren.“ Er ist quasi das Sprachrohr nach außen und für den Verkauf zuständig, während sich Katharina als gelernte Kommunikationsdesignerin um Konzeption und Marketing kümmert. Der Münchner Kunstsalon L’appartement 58 lebt also von den sich ergänzenden Stärken des visionären Künstlerpaares.
Vor zehn Jahren hat den 44-jährigen Yasin Sarfraz die Sammelleidenschaft gepackt – auch wenn er aus einer Branche kommt, die so gar nichts mit den schönen Künsten zu tun hat. „Ich wollte mehr Kultur in mein Leben lassen, irgendwann auch selbst schöpferisch tätig sein. Also habe ich 2014 eine klassische Mal- und Zeichenausbildung absolviert.“ Aber wie ein Korsett sei das für ihn gewesen, er wollte frei, expressiv und unabhängig malen, so der Wirtschaftsingenieur – er blickt auf 20 Jahre Investment-Karriere zurück und ist heute noch in Sachen Finanzanlagen tätig. Yasin Sarfraz resümiert: „Wer mich wirklich kennenlernen will, der soll nicht mit mir, sondern mit meinen Bildern sprechen.“ Beim Betreten seines Ateliers innerhalb des Salons wird klar, was er damit meint. Knallbunte Acrylfarbenspritzer zieren Teppich, Wände, Decke. Seine Bilder: ein bisschen Gerhard Richter, ein bisschen Jackson Pollock und ganz viel Yasin Sarfraz. Gerade schüttet er großzügig Rot und Magenta auf eine großformatige Leinwand auf dem Boden, klack, klack, wild kippt er Schwarz dazu. Das habe was Morbides, aber auch eine unbeschreibliche Ausdruckskraft, „out of the dark, into the light“, murmelt er und verschmilzt die dicken Farbschichten mit Rakel und Spatel. Dann entscheidet der Künstler in Sekundenschnelle, was sichtbar werden und was geschwärzt verborgen bleiben soll. Schütten, rühren, rasieren: zack, die feuchte Leinwand wird nun nochmals mittels Rakeltechnik zerfurcht. „Wenn ich arbeite, vergesse ich Zeit und Raum, ich versuche, mich komplett loszulösen von Denkmustern oder einer Agenda, alles entsteht meditativ, wie durch ein Orakel.“ Und wann ist ein Bild fertig? „Wenn ich aus dem Fieber des Schaffens erwache, es ist fast wie das Arbeiten in einem Traum, ein völliges Loslassen, man fühlt sich eins mit der Natur.“
Rund 20 ihrer ungewöhnlichen Art-Objects sind beim Rundgang im L’appartement 58 zu bewundern, Katharina Lehmann hat ihr Atelier jedoch ein paar Häuser weiter in der Georgenstraße. „Für meine Kunst brauche ich sehr viel Platz, besonders wenn ich aus kilometerlangen, in Acryl getränkten Baumwollfäden großflächige Gewebeareale als Grundlage für meine Bilder und Installationen erstelle“, beschreibt sie ihre Technik – genannt Thread-Drip-Painting, die sie selbst erfunden hat. Um das Gewebe zu fertigen, läuft sie unzählige Stunden im Zickzack durchs Atelier. Die Message ihrer Werke, die teilweise auch mit Kupferdraht versehen sind: sozialkritische Themen, in Ästhetik verpackt. „Durch unser Bestreben nach etwas Höherem vergessen wir uns dabei selbst“, fasst sie zusammen. Schon als Kind war sie kreativ: „Wenn meine Eltern nach Hause kamen, haben sie das ganze Wohnzimmer mit bemalten DIN-A4-Blättern vorgefunden.“ Bereits mit 21 Jahren hatte Katharina Lehmann ihre erste Ausstellung, seither ging es steil bergauf, 2019 beteiligte sie sich mit ihrem Konzept an Yoko Ono‘s Retrospektive in Leipzig. Dann verbrachte sie ein halbes Jahr in einer Künstler-Residenz in Shanghai; 25 der entstandenen Arbeiten werden durch die CO-
SPACE Gallery, Shanghai repräsentiert und im asiatischen Raum exponiert. „Eine beflügelnde Zeit“, freut sich Katharina Lehmann. Inzwischen werden ihre Kunstwerke weltweit ausgestellt und für bis zu 20.000 Euro gehandelt.
Und wo haben sich die zwei kennengelernt? In einer Ateliergemeinschaft in Englschalking vor etwa vier Jahren, seither hatten sie auch gemeinsame Ausstellungen und Teilnahmen an Kunstmessen. „Zusammen sind wir stark. Was unsere Außenwirkung betrifft, so sind wir uns einig, die Künstlerpaar-Dynamik läuft bei uns synchron, wir verfolgen die gleichen Ziele, aber jeder von uns trägt eine andere Handschrift. Wir sind unterschiedliche, starke Persönlichkeiten, jeder braucht seine künstlerischen Freiheiten.“ Kunst verbindet eben. Ein Gedanke, den die beiden weitergeben wollen …
„Der Kunstsalon wird ganzjährig mit Werken bespielt und kann auf Anfrage jederzeit unentgeltlich besichtigt werden.“