Denn was allein auf die dekorative Wirkung zielt, ist in der Regel schnell konsumierbar. Es lohnt sich nicht, sich weiter damit zu beschäftigen. Aber bei Junghanns‘ Bildern ist das anders. Gerade rechtzeitig, bevor man sich abwenden möchte, kommt eine kleine Irritation: Man möchte doch mal genauer sehen, was er da eigentlich gemalt hat.
Seine Themen: Reduktion auf Farbe und Fläche und eine Message, die sich dem Besucher oft erst auf den zweiten Blick erschließt. Und physisch erfahrbar müssen sie sein. Auch wenn
die Vorlagen teilweise am Computer konzipiert werden, führt bei der Umsetzung kein Weg an Leinwand und Pinsel vorbei. Damit schafft er den Spagat zwischen analoger und digitaler
Zeichnung.
„Habt keine Angst“ rufen die Bilder, „wir sind doch nur Kunst!“ Kein hohles Pathos geht von ihnen aus, keine Deutungsnot befällt den Betrachter. Bei Junghanns erscheint die Malerei eher als Spiel. Und das Beste ist: Er lässt alle mitspielen. Denn ohne uns, die Betrachter, wären die Bilder nicht vollendet. „Moon“ wäre zum Beispiel nur ein weißer Kreis auf schwarzen Grund, mit einem blauen Streifen am unteren Rand, dazu vier kurze weiße Parallelen. Nur unsere Erfahrung im Bilderbetrachten und unsere Kombinationsgabe machen daraus eine stille Mondnacht auf See – und das funktioniert auch dann, wenn wir den Bildtitel gar nicht kennen.
Nicht zufällig erinnern manche der Bilder an Keith Haring. Christian Junghanns bezieht sich ausdrücklich auf den amerikanischen Künstler und ist ebenso wie dieser von Pop-Art und Graffiti beeinflusst: Wenige, bunte Farben, flächige Gestaltung und der dekorative Warencharakter, der vor allem auch eins tut: Die persönliche Handschrift verleugnen, jeglichen Anflug von „Peinture“ vermeiden. Und wenn Junghanns mit der Computer-Maus malt, dann erzeugt er eben keine gekonnten Liniengefüge, sondern eher ungelenke visuelle Hinweise, die es dem Betrachter freistellen, die vorgefundenen Formen so zu ergänzen, dass sie für ihn einen Sinn ergeben.
So tut der Künstler ein wenig unbedarft – aber das ist er natürlich nicht. Er hat eine solide künstlerische Ausbildung und er hat viel gesehen. Insbesondere die amerikanische Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt sich im Werk des Künstlers. Da kommen zum Beispiel Erinnerungen an die Shaped Canvases eines Frank Stella. Oder das Porträt von Robert Motherwell: Es lässt den abstrakten Expressionismus nicht nur inhaltlich, sondern auch formal aufleben – ein Atavismus, schließlich beherrscht auf den ersten Blick doch die Pop-Art das Feld … Solche Dinge kann der Betrachter sehen, aber er muss es nicht.
Die Bilder geben dem Betrachter nie das Gefühl, etwas Vorgegebenes entschlüsseln zu sollen, wie eine Aufgabe, die zu lösen wäre. Man schaut einfach – und freut sich am Ende über die eigene Entdeckung. „Joseph und Maria“? Die lebten in fernen Zeiten und in einem anderen Kulturkreis und sahen sicher nicht aus wie eine europäische Prinzessin mit ihrem Opa. Die „Apostel“? Ein Trupp ganz unterschiedlicher Männer, in ungewisser Mission!
Junghanns verkündet keine Gewissheiten; er eröffnet einen Dialog. Damit führt er nicht zu der einen, hohen Wahrheit, sondern er regt ermüdungsfreie Betrachtungen über das an, was unser ganz normales Leben ausmacht.
Neugierig geworden? Mehr über Christian Junghanns auf seiner Website.
Autor: Dr. Eva Bambach, Kunsthistorikerin